Ganz so trivial wie es nach außen hin erscheint ist die Verbrauchsabrechnung nicht. Verbrauch mal Preis plus Grundbetrag, Messung und Steuer mag für einige, vielleicht auch die Mehrzahl der Haushaltskunden zutreffen. Pflichtprogramm aber nicht die Kür. Die Preisgestaltung ist relativ frei und kann an unterschiedliche Abläufe und Zeiten gebunden sein. Die Anlagenstruktur entspricht nicht zwangsläufig einer einzelnen Messstelle.
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Entwurf
Ein (persönlicher) Rückblick
Ich will jetzt nicht viel im Gestern herumjammern. Ich finde aber, dass sich ein persönlicher Rückblick durchaus lohnt. Weniger, weil es damals einfach schöner war, mehr weil vieles von dem, was heute Usus ist, damals bereits im Kern vorhanden war. Allerdings war damals die Technik und Digitalisierung bei weitem noch nicht so entwickelt wie heute. Die Digitalisierung, das Internet und die Verblödungsmaschinerie der „Sozialen Medien“ kamen damals selbst in Sience-Fiction nicht vor.
Ich habe 1977 mit einer Ausbildung zum Industriekaufmann in einem hiesigen Elektrizitätswerk Wesertal GmbH angefangen. Im Rahmen dieser Ausbildung habe ich auch die damalige Abrechnung der Abnehmer, wie sie damals noch genannt wurden, durchlaufen. Ich habe aus der Zeit keine Erinnerungsstücke oder Dokumente, deshalb die Abläufe rein aus der Erinnerung heraus. Die Verbrauchsabrechnung war in zwei Bereiche unterteilt: Die für die Abrechnung der Tarifkunden und ein Büro für die der Sondervertragskunden.
Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, gab es bei den Tarifabnehmern 4 Arbeitsgruppen, die unterschiedliche Regionen betreuten. Abgerechnet wurden die Tarifabnehmer einmal im Jahr. Ein großes Hilfsmittel war zu dem Zeitpunkt bereits die zentrale EDV-Anlage. Hier wurden neben der Buchführung auch die Zählerlisten gepflegt und die Verbrauchsabrechnung in Teilen durchgeführt. Für die Abrechnung wurden zum Jahresende hin Ableselisten ausgedruckt, man konnte sich darauf bewerben, durch die Straßen zu ziehen und die Ablesungen vorzunehmen. Waren die Zähler abgelesen wurden die Listen von den Datentypistinnen erfasst, sozusagen manuelles OCR. Aufgrund dieser Ablesungen wurde dann die Verbrauchsabrechnung für das Jahr durch ein selbstgeschriebenes Programm durchgeführt und die Rechnungen mittels eines Kettendruckers ausgedruckt. In der Registratur wurde eine riesige Kuvertiermaschine entstaubt und die Rechnungen gingen raus an die Abnehmer. Änderungen im Kundenbestand gab es praktisch nur bei Neubauten, Ein- bzw. Auszügen oder Abrissen des Gebäudes.
Etwas aufwendiger war es bei den Sondervertragskunden bzw. den Stadtwerken, die versorgt wurden. Hier gab es die Registrierende Lastmessung (RLM) und die war zu dem Zeitpunkt noch manuell. Soll heißen, einmal zum Monatswechsel fuhr ein Techniker zum Kunden und tauschte die Registrierungsrolle aus, auf dem ein Schleppzeiger die verbrauchte Strommenge je Viertelstunde aufzeichnete. Diese musste manuell nach den höchsten Verbrauchswerten durchsucht werden, per Auge und Lineal. Zur Sicherheit wurde das mindestens einmal überprüft und die Rechnung wurde manuell per Rechen- und Schreibmaschine erstellt.
Das war um 1977 / 78. Später wurden die Daten des eigenen Programmes auf R2 migriert und von hier aus in nach R3 IS-U, heute SAP Utilities, migriert.
Was seitdem geschah
Liberalisierung des Energiemarktes
Das Unbundling, also das Ende der Gebietsmonopole und die Entkopplung von Handel und Netzen war damals kein Prozess, der über Nacht die Branche aufmischte. Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, war ich selber war auf mehreren Kongressen in Köln, Bonn und Berlin zu diesem Thema. Es wurden durchaus unterschiedliche Geschäftsmodelle diskutiert, wobei es, schon aus Kostengründen, nur ein Netz geben sollte. Im Rahmen der Diskussion wurden Prozesse der Energieversorgung, die für die Versorgung notwendig waren und sind beschrieben. Zu diesen notwendigen Prozessen gehören unter anderm die Frequenzregulierung, Mengenanpassung und Verluststrom sowie Ausfall- und Fehlerszenarien.
Ich will jetzt nicht zu Tief in dieses Thema einsteigen, das wäre Thema für einen entsprechenden Post. Es beeinflusst aber die Verbrauchsabrechnung auf mehreren Ebenen. Herausgekommen ist ein Poolmodell auf Basis der Nettostrommengen mit unterschiedlichen Markt- und Funktionalrollen. Jede dieser Rollen basiert auf einer unteilbaren Zusammenfassung von Pflichten, die zum Teil zusammengefasst werden können. Die Marktrollen sind:
- Händler
- Erzeuger
- Übertragungsnetzbetreiber
- Verteilungsnetzbetreiber
- Messstellenbetreiber
Die Aktivitäten der Netz- und Messstellenbetreiber werden dem Handel als Dienstleistung in Rechnung gestellt. Bedeutet direkt, dass Verbräuche über mehrere Rolleninhaber abgerechnet werden müssen. Um hier keine Insellösungen zu bekommen ist für die technische Kommunikation der Marktteilnehmer der Standard EDI@Energy auf Basis EDIFACT entwickelt worden. Für den organisatorischen Part der Kommunikation gibt es zwei Vorgabensammlungen: GPKE (Geschäftsprozesse zur Kundenbelieferung mit Elektrizität) und WiM (Wechselprozesse im Messwesen).
Wo liegen nun die Auswirkungen auf die Verbrauchsabrechnung? Diese muss jetzt auf zwei Ebenen durchgeführt werden: Einmal für die Kosten der physischen Lieferung (Netzentgelte) mit Eeiterberechnung an den Händler und einmal durch den Händler an den Kunden. Es gibt im gesamten Abrechnungsprozess also zwei unterschiedliche Wertbildungen. Diese muss aufgrund identischer Stamm- und Messdaten in unterschiedlichen Marktteilnehmern (Gesellschaften) erfolgen (Marktkommunikation).
Technisch war das, was in meinem Arbeitsumfeld umgesetzt wurde, ein evolutionärer Weg hin zur getrennten Welt. Im ersten Schritt wurden die Kundendaten in einen neuen Buchungskreis kopiert. Es war so ein Kundenstamm für die Netzabrechnung geschaffen. Im zweiten Schritt wurde aus dem Buchungskreis ein neuer Client, aus dem Client eine vollständig abgetrennte DV-Umgebung. Diese konnte sich dann getrennt von der Händlerumgebung nach den gesetzlichen Vorgaben entwickeln.
Interessant ist das im Rahmen der Abrechnung pauschal weiterberechneten Leistungen der Messstellenbetreiber. Hier kommt neben der Leistung noch eine große Portion technischer Fortschritt bei der Messung zum tragen. Gab es früher nur die Kunden mit Standardlastprofil und Kunden mit registrierender Lastmessung, werden diese durch die Zählerstandsgangmessung der intelligenten Smartmeter ergänzt oder ersetzt. Zähler, die mit einem Server kommunizieren können und entsprechend zeitnah ausgelesen werden können um zum Beispiel Beschaffungsprozesse zu optimieren, was hier allerdings nicht Thema ist.
Technische Entwicklung
Einführung der Smartmeter ermöglicht Verbrauchs- und Einspeiseprofile zentral zu erfassen
Real Time Pricing
Time-of-Use Abrechnung
EDM Energiedaten Management
Messung
- Beschaffung der Messdaten
- Rolle: Messstellenbetreiber, Lieferer, Netzbetreiber
Abrechnung
- Bewertung der Verbrauchswerte
- Rollen: Lieferer, Netzbetreiber
Fakturierung
- Übernahme in die Buchhaltung
- Bestimmung der Abschläge
- Rollen: Lieferer, Netzbetreiber
Rechnung
- Druck oder Generierung der Rechnung
Messung
Abrechnung
Preisfindung
Preise sind Verhandlungssache zwischen Händlern und Kunden. Ein System muss diesem folgen. Ohne jetzt viel Kenntnisse über die Verhältnisse zu haben kommen mir da einige Varianten in den Sinn:
- Zonenpreise
- Staffelpreise
- Bindung der Preise an den Bezugspreis / Börsenpreis
- Zeitliche Abhängigkeit des Preises
- Verbrauchsartabhängigkeit des Preises
Zusammenfassung mehrerer Messstellen zu einer Verbrauchsstelle
Regionale Zuordnung
Die Regionale Zuordnung zu einer politischen Gemeinde ist vor allem für Netzbetreiber für die Abrechnung der Wegelagerergebühr Konzessionsabgabe relevant.
Zeitliche Abgrenzungen
Abrechnungsverfahren
Turnusabrechnung
Gleitende Nachberechnung
Endabrechnung
Zwischenabrecnung
Schlussabrechnung
Ablauf Abrechnung
Schritt | Inhalt | Beschreibung |
---|---|---|
1 | Stammdatensammlung | Sammeln der kaufmännischen Daten (GP, VK), technischen Daten (Anlage, Bezugsgrößen, Verbrauchseinrichtungen, Anschlussobjekt) und Steuerungsdaten (Tarife, Tariffindung, Schemata) |
2 | Datenanalyse | Analyse der Preis-, Umsatzsteuer- und Abgabenabhängigkeit |
3 | Umwandung | Umwandung der Zählerdaten in Mengen (Zähler- oder Wandlerfaktoren) |
4 | Abgrenzungen | es werden separate Zeitscheiben für Zeiträume definiert, in denen Änderungen von Preisen, Tariftypen, Tarifen, Steuern, Zu- oder Abschläge sowie anderer Bestandteile stattgefunden haben |
5 | Schemaausführung | Es werden die Operandenwerte ermittelt |
6 | Rechnungszeilenerstellung | Berechnung der Variantenergebnisse |
7 | Datenbankänderung | Kennzeichnen der Zählerstände als abgerechnet, eintragen der Abrechnungszeitscheibe in der Anlage, Fortschreibung der Anlagefakten |